„Selbstgefälligkeit ist ein Kampf, den wir ständig führen müssen“, sagte einst der große Golfchampion Jack Nicklaus. Dieses Prinzip hat auch im Fußball seine Gültigkeit, wo Europa mit vier WM-Titeln in Folge und ebenso vielen Triumphen bei der U20-WM derzeit auf einer unvergleichlichen Erfolgswelle reitet. Um jeglicher Selbstgefälligkeit innerhalb der europäischen Trainergilde vorzubeugen, wurde vor kurzem die vierte Ausgabe der UEFA-Trainerkonvention auf den Weg gebracht, die zu weiteren Verbesserungen in der Trainerausbildung führen soll.

Um es vorweg klar festzuhalten: Die neue Konvention ist keine simple Wiederauflage ihres Vorgängers. Der vierten Ausgabe der Trainerkonvention ging eine umfassende Analyse mit dem klaren Ziel voraus, die Standards der Coaching-Kurse zu erhöhen, die UEFA-Trainerausbildungsstrukturen mit neuen Elementen weiter auszubauen und die wichtige Rolle zu betonen, die hochqualifizierte Trainerausbilder mit Blick auf weitere Fortschritte und sportliche Erfolge einnehmen.

Am Puls der Zeit bleiben

Trotz der Fokussierung auf die Zukunft lohnt sich zunächst ein Blick zurück: Die UEFA-Trainerkonvention wurde am 17. Januar 1998 bei einer Zeremonie im belgischen Gent von den Gründungsverbänden Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande und Spanien ins Leben gerufen. Entgegen der ursprünglichen Erwartungen traten innerhalb des folgenden Jahrzehnts sämtliche UEFA-Mitgliedsverbände der Konvention bei, die 2010 ein erstes Mal überarbeitet wurde, bevor fünf Jahre später die dritte Ausgabe folgte. Andy Roxburgh, während 18 Jahren technischer Direktor der UEFA und treibende Kraft hinter der Konvention, sinniert rückblickend: „Für niemanden ist es wichtiger als für Trainerausbilder, in ihrem Job auf dem absolut letzten Stand zu sein. Es bringt schließlich nichts, Trainer für ein Spiel auszubilden, wie es vor 20 Jahren praktiziert wurde. Der Fußball entwickelt sich schnell und die Trainerausbilder müssen damit Schritt halten.“ Es drängte sich also eine vierte Ausgabe der Konvention auf, um den kontinuierlichen Erneuerungsprozess aufrechtzuerhalten – ganz im Sinne der Redensart, dass man am Puls der Zeit bleiben muss, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Umfassende Überarbeitung

Obwohl die Tinte der dritten Ausgabe noch nicht richtig getrocknet war, arbeitete ein Team der Leeds Beckett University in England bereits an einer unabhängigen Studie über die UEFA-Trainerkonvention und ihre Auswirkungen, deren Ergebnisse in der Ausgabe 2020 berücksichtigt wurden. Dazu gehörte unter anderem die Erkenntnis, dass „die Konvention für die Entwicklung des europäischen Fußballs und die Ausbildung von Fußballtrainern sehr positiv, ja wertvoll“ sei – eine erfreuliche Bilanz, aber noch lange kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Die aufschlussreichsten Abschnitte der Studie waren diejenigen über Bereiche mit Verbesserungspotenzial und die dazugehörigen Empfehlungen, die in die im Mai 2018 begonnene Revision eingeflossen sind. Eine Arbeitsgruppe aus Trainerausbildungsexperten des UEFA-Jira-Ausschusses, der unter anderem der Leiter der Trainerausbildung in Belgien, Kris Van Der Haegen, der mit englischen Nachwuchsteams höchst erfolgreiche John Peacock und der Schweizer U17-Weltmeistertrainer Dany Ryser angehörten, wurde mit der Ausarbeitung von Änderungsvorschlägen beauftragt. Der Schlussbericht des Jira-Ausschusses wurde der UEFA-Kommission für Entwicklung und technische Unterstützung und anschließend im Rahmen der Konferenz für Trainerausbilder im November 2019 in Zypern den Mitgliedsverbänden unterbreitet, bevor das UEFA-Exekutivkomitee die überarbeitete Konvention im vergangenen März in Amsterdam genehmigte.

„Ich denke, dass wir jetzt in der dritten Phase der Konvention angekommen sind“, bilanziert Dany Ryser. „In der ersten ging es um die Einführung und Umsetzung. In der zweiten ging es darum, den Nutzen der Konvention zu optimieren und den unter-schiedlichen Gegebenheiten in den Nationalverbänden Rechnung zu tragen. Die jetzige dritte Phase sieht eine verstärkte Spezialisierung von Trainern und maßgeschneiderte Unterstützung für die Verbände vor, damit diese optimale Lösungen für die Zukunft in ihrem jeweiligen Umfeld finden. Ein weiteres wichtiges Element ist im Übrigen der größere Fokus auf Trainerausbilder.“

Drei neue Diplome

Einige der Empfehlungen der unabhängigen Studie wie die Förderung der Ausbildung UEFA von Trainerinnen wurden bereits in die UEFA-Entwicklungsstrategien integriert. Andere Empfehlungen wie die Entwicklung einer verbesserten Programmstruktur, in der auch Kinder- und Juniorentrainer berücksichtigt werden, wurden in der Trainerkonvention 2020, deren wichtigste Neuerungen der Ausbau der Trainerausbildungsstrukturen und die Einführung von drei neuen UEFA-Diplomen sind, berücksichtigt.

Das UEFA-C-Diplom wurde von der UEFA-Breitenfußball-Charta in die Trainerkonvention transferiert, wo es die erste Diplomstufe bildet und dazu beiträgt, die Coaching-Standards im Breitenfußballbereich zu verbessern. Die Verbände haben drei Jahre Zeit, den C-Diplomkurs in ihre Ausbildungsstrukturen zu integrieren; danach wird das C-Diplom eine zwingende Voraussetzung für die Erlangung des UEFA-B-Diploms sein. Die zweite Neuerung ist die Einführung des UEFA-Torwarttrainer-B-Diploms im Rahmen der Spezialistendiplome der Konvention, das die Lücke hinter dem Torwarttrainer-A-Diplom schließt und diese spezifischen Fähigkeiten auf Amateurebene vermittelt.

Mit dem UEFA-Junioren-B-Diplom schließlich werden die Ausbildungsstrukturen für Junioren-Coaches ausgebaut; es ist für Trainer bestimmt, die mit Nachwuchstalenten arbeiten, die den Sprung vom Breiten- oder Amateurfußball in den Elitefußball schaffen wollen. Gleichzeitig dient es als Zwischenstufe hin zum UEFA-Elitejunioren-A-Diplom.

„Mit der Aufwertung des Junioren-Coachings in Europa hat die UEFA einen wichtigen Schritt gemacht“, merkt John Peacock an. „Diese Spezialisierung mit besonderem Fokus auf der individuellen Entwicklung junger Spieler anstelle des Teams stellt einen bedeutenden Fortschritt dar. Angesichts der zunehmenden Anforderungen des Fußballs muss die Qualität der Spieler verbessert werden. Mein ehemaliger Mentor Don Howe, der Arsenal und die englische Nationalelf betreut hat, sagte einst, dass man sich stets fortbilden und auf dem neusten Stand bleiben müsse, um es zu verdienen, herausragende Spieler zu trainieren. In diesem Sinne wurden die neuen Diplomkurse eingeführt – als Trainer müssen wir uns vom Breitensport bis zur Elite kontinuierlich weiterentwickeln, um die nächste Spielergeneration zu formen.

„Alle drei neuen Diplomkurse haben eine Mindestdauer von 60 Stunden, wovon wie bei allen anderen UEFA-Kursen mindestens die Hälfte in realitätsnahen Situationen – praktische Einheiten und konkrete Arbeitserfahrung auf dem Spielfeld – absolviert werden. Trainerkurse als Frontalunterricht mit über ihren Notizen gebeugten Teilneh-menden sind mittlerweile ein Relikt der Vergangenheit. Alle übrigen Neuerungen aufzulisten, würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Sie betreffen in der Summe die Richtlinien zu Inhalt, Dauer und Organisation der Trainerkurse, die Prüfungsmethoden, die Anforderungen an lizenzierte Trainer hinsichtlich kontinuierlicher Weiterentwicklung (Fortbildungskurs alle drei Jahre) sowie die Ausbildungsstrukturen für ehemalige Profifußballer – die auf sie zugeschnittenen Kurse wurden neu aufgestellt, da laut zahlreichen Spitzentrainern wie Sir Alex Ferguson diesen angehenden Coaches mit der Lizenzvergabe im Schnellverfahren kein Gefallen getan wird. Die Mindestanzahl der Kursteilnehmer wurde auf acht pro Kurs festgelegt, während Pro-Lizenz-Kurse höchstens 20 Personen umfassen dürfen, um interaktives, kollaboratives und gegenseitiges Lernen zu fördern. Da im modernen Fußball immer mehr Spieler, Trainer und Betreuer im Ausland tätig sind, räumt die überarbeitete Konvention fortan mehr Flexibilität mit Blick auf die Zulassung ausländischer Teilnehmender zu Trainerkursen ein. In diesem Zusammenhang wurden die Bestimmungen der Konvention so angepasst, dass sie im Einklang mit EU-Recht stehen.

Obligatorische Qualifikation für Trainerausbilder

Ein zentrales Merkmal der überarbeiteten Konvention ist das Profil der Trainerausbilder. Peter Rudbæk, 15 Jahre lang technischer Direktor des dänischen Verbands und langjähriges Mitglied des UEFA-Jira-Ausschusses, erklärt, worauf es ankommt: „Fußballwissen ist die eine Seite des Jobs. Der Rest dreht sich um Lehr- und Lernmethoden.“ Ähnlich treffend formuliert es der frühere englische Nationalcoach Howard Wilkinson: „Erstens: Es geht um Fußball. Zweitens: Es geht um Ausbildung. Wissen zu vermitteln ist für mich der wichtigste Beruf der Welt. Ohne Ausbilder würden wir noch heute versuchen, Feuer zu machen.“ Der Belgier Michel Sablon, eine der Schlüsselfiguren der Expertengruppe, welche die erste Ausgabe der Konvention verfasste, fügt hinzu: „Kursinhalte sind das eine. Die kann man 1:1 übernehmen. Wenn man die Trainer aber auf die Realitäten des harten Arbeitsalltags vorbereiten will, sind pädagogische und kommunikative Fähigkeiten gefragt.“ Auf die Bedeutung der Fähigkeiten von Trainerausbildern wurde in der unabhängigen Studie hingewiesen. „Es scheint viele altgediente Trainerausbilder zu geben, die mitunter in Teilzeit arbeiten und nicht besonders offen sind für neue Ideen im Coaching-Bereich“, bilanzierte das Forschungsteam der Leeds Beckett University. „Bedenken bestehen auch bezüglich der stark unterentwickelten Aus- und Weiterbildungsprogramme für Trainerausbilder einiger Verbände. Die Ausbildung von Trainerausbildern wird als wichtiger verbesserungswürdiger Bereich im Rahmen der Konvention erachtet.“

Die Ausgabe 2020 der Konvention sieht eine obligatorische nationale Qualifikation für Trainerausbilder vor, was in dieser Hinsicht einen großen Schritt nach vorne bedeutet – die Nationalverbände haben drei Jahre Zeit, diese Neuerung auf den Weg zu bringen. Eine der Grundvoraussetzungen, um als Trainerausbilder zu arbeiten, ist eine Trainerlizenz, die mindestens der Stufe des Kurses, den sie unterrichten, entspricht. Ferner muss der Ausbilder in der Lage sein, die individuellen Bedürfnisse der Trainer zu erkennen, den Erwartungen des jeweiligen Nationalverbands in Sachen Qualität und Philosophie gerecht zu werden und für die Grundsätze des lebenslangen Lernens und der kontinuierlichen beruflichen Fortbildung einzustehen. Anders gesagt, schärft die neue Konvention das Bewusstsein der Verbände dafür, dass die Ausbildung von Trainern eine hohe Kunst ist, die auch heute noch oft unterschätzt wird. Michel Sablon sagt dazu: „Der Trainerausbilder muss eine Quelle des Wissens und, so meine ich, der Inspiration sein. Die Herausforderung besteht darin, sich die Fähigkeiten anzueignen, die es braucht, um andere Trainer besser zu machen.“ „Viel hängt davon ab, dass man das Glück hat, den richtigen Mentor zu erwischen“, sinnierte einst Sir Alex Ferguson. „Die Besten können dein Leben verändern.“ Durch die Fokussierung auf das Hervorbringen hochkompetenter Trainerausbilder soll die Konvention dazu beitragen, den Faktor Glück zu verringern oder gar ganz zu beseitigen.

Aus Sicht der UEFA-Abteilung Fußballausbildung ist die neue Konvention ein großer Schritt nach vorne, da die UEFA-Trainerausbildungsstrukturen erweitert wurden und gleichzeitig noch mehr Flexibilität und Freizügigkeit in Europa gewährleistet wird. Generell werden die Nationalverbände dazu aufgefordert, die Standards der Trainerkurse kontinuierlich zu verbessern und Synergien zwischen Ausbildung und Arbeitswelt zu schaffen, indem die Trainer ihre Kompetenzen in realitätsnahen Situationen entwickeln – was wiederum die Ausbildung hochqualifizierter Trainerausbilder voraussetzt. Mit der Überarbeitung der Konvention ist das Ende der Fahnenstange allerdings noch nicht erreicht; die UEFA wird die Verbände weiter anleiten und unterstützen, damit sie gemeinsam Fortschritte erzielen, eine Vorbildfunktion übernehmen und am Puls der Zeit bleiben.

Quelle: UEFA DIRECT - Nr. 191 – Juli/August 2020

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md/21.08.2020

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