Gleich vier Trainer wurden in den drei deutschen Profiligen nach nur zwei Spieltagen entlassen. Das sorgt für Unmut bei den Kollegen – und beim Bund Deutscher Fußball-Lehrer, dessen Präsident Lutz Hangartner Kritik übt und einen Rauswurfrekord in dieser Saison fürchtet.

Es war ihm wichtig, auch darauf noch einmal einzugehen. Also nutzte Stefan Leitl, der Trainer der SpVgg. Greuther Fürth, bei einer Pressekonferenz die Gelegenheit, ein paar Worte über seinen Kollegen Michael Schiele zu verlieren. „Was sicher nachdenklich stimmt, ist die Geschichte mit Michael Schiele. Das ist von außen betrachtet für mich nicht nachvollziehbar“, sagte der Coach des Zweitligisten.

Schiele, der im Sommer mit den Würzburger Kickers den Aufstieg in die Zweite Liga geschafft hatte, war zu Wochenbeginn nach zwei Niederlagen in den ersten zwei Saisonspielen sowie dem Aus im DFB-Pokal entlassen worden. „Sehr, sehr bitter“ sei das, kritisierte Leitl: „Da braucht man auch nicht immer davon sprechen, dass es zum Geschäft dazugehört.“

Kritik am Führungspersonal der Klubs

Kollege Schiele ist einer von vier Trainern, die es nach nur zwei Spielen erwischt hat. In der Ersten Liga verloren David Wagner (FC Schalke 04) und Achim Beierorzer (FSV Mainz 05) ihren Job, in Liga drei Boris Schommers beim 1. FC Kaiserslautern.

Die Entlassungen sorgen jedoch nicht nur für Unmut im Kollegenkreis. Beim Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) ist man ebenfalls irritiert ob der Entscheidungen der handelnden Personen in den jeweiligen Vereinen. „Ohne die Internas der jeweiligen Klubs zu kennen, kann man als Trainerverband keinerlei Verständnis dafür aufbringen. Hier wurde der "Rauswurfkultur" in den Bundesligen alle Ehre gemacht“, sagte Lutz Hangartner, der Präsident des BDFL. „Wenn ich die augenblickliche Entwicklung ansehe, muss ich befürchten, dass wir am Ende der Saison einen neuen Rekord an Trainerrauswürfen registrieren werden.“

Der aktuelle Rekord liegt bei 39 Trainern, die während einer Saison insgesamt in allen drei Profi-Ligen entlassen worden sind. In der Spielzeit 2018/19 verloren elf Trainer in der Ersten Liga vorzeitig ihren Job, in der Zweiten und Dritten jeweils 14. In der vergangenen Saison mussten insgesamt 36 Trainer vorzeitig gehen – neun jeweils in der Ersten und Zweiten Liga, 18 in der Dritten. Die wenigsten Entlassungen gab es in der Spielzeit 2011/12. Damals verloren zehn Trainer in der Ersten Liga vorzeitig ihren Job, elf in der Zweiten und sieben in der Dritten Liga, die übrigens zur Spielzeit 2008/09 als dritthöchste Spielklasse zwischen der Zweiten Liga und der Regionalliga vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) eingeführt worden war.

Trainer-Kollegen zeigen kein Verständnis

Insbesondere im Hinblick auf die Probleme, die es wegen der Corona-Pandemie auch in der Fußballbranche seit Monaten gibt, würden sie sich beim BDFL mehr Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Angestellten wünschen. „Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass die Klubs in diesen schwierigen Zeiten mehr Sorgfalt walten lassen. Bei eingeschränkten Ressourcen wäre es konsequent, weniger teure Spielerverpflichtungen vorzunehmen und nicht viel Geld durch vorschnelle Trainerrauswürfe unsinnig zu verbrennen“, sagte Hangartner.

Die frühzeitigen Entlassungen würden seiner Auffassung nach auch ein schlechtes Licht auf die Klubbosse und Manager werfen. Der Trainer, so der BDFL-Chef, müsse mit seinem Kopf auch dann dafür herhalten, wenn in den Führungsetagen Fehler gemacht würden. Hangartner: „Erfahrungsgemäß können Trainer in den Klubs über längere Zeit nachhaltig arbeiten, in denen nur wenige Fachleute im sportlichen Bereich das Sagen haben. Leider gibt es gegenwärtig zu wenige solcher Klubs.“

Urs Fischer, der Coach von Union Berlin, hatte unter der Woche ebenfalls sein Mitgefühl für die bereits entlassenen Kollegen zum Ausdruck gebracht. „Es gefällt mir natürlich gar nicht. Ich kann es nachvollziehen, wie es ihnen geht“, sagte Fischer, der am Freitagabend mit seiner Mannschaft den FSV Mainz 05 empfängt. Bei den Gästen wird Interimscoach Jan-Moritz Lichte für den entlassenen Beierlorzer auf der Bank sitzen. Zu den Vorfällen wollte sich Fischer nicht äußern, da er nicht in der Thematik sei, wie er sagte. Aber insgesamt würde die „Lebenserhaltungszeit“ eines Trainers im deutschen Profifußball ja nicht mehr als zwölf bis 14 Monate betragen.

Laut BDFL-Präsident Hangartner sei seit knapp zehn Jahren zu beobachten, dass die durchschnittliche Verweildauer von Trainern in der Ersten Liga etwas nur rund 1,2 Jahren betragen würde. Anfang der Jahrtausendwende hätte sie noch bei rund drei Jahren gelegen. Union-Trainer Fischer, so Hangartner, würde das zurecht beklagen, „denn die Effektivität dieses `Hire and fire`-Prinzips ist durch viele wissenschaftliche Untersuchungen widerlegt worden“.

Quelle: Die Welt vom 02.10.2020

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