Ein Interview mit dem Betriebsrat von Schalke 04 darüber, wie Arbeitszeiten im Spielbetrieb funktionieren, warum Profifußball und Betriebsrat gut zusammenpassen, es aber dennoch nur wenige Betriebsräte in den Profi-Clubs gibt.


Prominente Fußballclubs wie Borussia Dortmund, der HSV oder der FC Schalke 04 verfügen über einen Betriebsrat. Im Gespräch zeigt Dr. Christine Walther, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, die Herausforderungen der Betriebsratsarbeit bei einem Fußballclub auf.
Quelle: Fragen von Eva-Maria Stoppkotte Arbeitsrecht im Betrieb 7-8/2025 Ab Seite 40



Wie groß ist euer Betriebsratsgremium und wie viele Mitarbeiter habt ihr, abgesehen vom Spielerkader?

Wir sind ein elfer-Gremium. Wir haben beim FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e. V. aktuell etwas mehr als 600 Mitarbeitende, darunter Festangestellte, Minijobber, Werkstudierende, Auszubildende, Praktikant*innen.

Werden auch die Spieler und Trainer von euch vertreten?

Auch die Beschäftigten der „Knappenschmiede“, unseres Nachwuchsleistungszentrums, sowie des Profikaders inklusive der Spieler und aller Trainer zählen zu unseren Kolleg*innen. Allerdings werden die Interessen insbesondere von Spielern und Trainern nach unseren Erfahrungen durch ihre Berater bestens vertreten. Gleichwohl steht die Tür zu unserem Betriebsratsbüro auch für sie offen.

Welche spezifischen Herausforderungen gibt es bei der Vertretung der Spieler?

Die Arbeit auf dem Fußballplatz ist grundsätzlich anders als alle anderen Arbeiten bei einem Fußballverein. Deshalb haben wir Spieler und Trainer des Profikaders auch aus den meisten Betriebsvereinbarungen vom Geltungsbereich ausgenommen. Man stelle sich nur vor, ein Spieler bestünde darauf, mobil zu arbeiten …

Wie geht der Betriebsrat mit Themen wie Arbeitszeitregelungen und Trainingszeiten um?

Wir haben bereits seit mehreren Jahren eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, die nicht nur für die Verwaltung gilt, sondern auch für die Kolleg*innen, die rund um die Lizenzspielermannschaft oder im Nachwuchsbereich arbeiten. Sie gilt sogar auch für die meisten Trainer. Die Trainingszeiten sind der Dienstplan, der für den Trainer selbst, aber auch andere Gewerke wie Zeugwart, Mannschaftsbetreuer oder Physiotherapeuten gilt und die Arbeitszeiten vorgibt. Überstunden führen wie in anderen Arbeitsbereichen auch zu Zeitguthaben, die z. B. durch Freizeit ausgeglichen werden können.

Wie gut funktioniert eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit bei einem Fußballverein?

Als wir die Betriebsvereinbarungen abgeschlossen haben, gab es zunächst Vorbehalte und viele Fragen. Da hieß es insbesondere von den Kolleg*innen aus dem Spielbetrieb: Ich als Trainer kann doch nicht meine Arbeitszeit erfassen, wie soll das gehen z. B. an Spieltagen? Wann stempele ich mich ein und wann wieder aus? Ist das Spiel selbst Arbeitszeit? Doch es hat sich herausgestellt: So kompliziert ist es gar nicht. Man stempelt ein, wenn man ins Büro oder in die Kabine oder auf den Platz kommt. Die Regelung zur Arbeitszeit und ihrer Erfassung hat aus unserer Sicht durchweg positive Effekte, denn sie hat zu einem ganz neuen Bewusstsein für die eigene Arbeitszeit letztlich bei allen Arbeitnehmer*innen geführt. Mit einem Mal haben sie einen Überblick, wann sie ihre Soll-Arbeitszeit erreicht haben oder wann es Zeit für eine Pause ist.

Wie beurteilst du die aktuelle Arbeitsatmosphäre bei Schalke 04?

Die Arbeitsatmosphäre ist von der sportlichen Situation nie ganz zu trennen. Die Identifikation vieler unserer Kolleg*innen mit dem Verein ist enorm hoch, sie sind im besten Sinne Fans des Clubs. Niederlagen oder der Tabellenplatz schlagen ihnen deshalb teilweise aufs Gemüt. Aber nicht nur das: Der Tabellenplatz entscheidet auch über die finanzielle Situation des Unternehmens. So bringt ein höherer Tabellenplatz mehr Einnahmen durch die Auszahlung von Fernsehgeldern als ein niedriger. Natürlich hat auch der Abstieg in die 2. Bundesliga Auswirkungen auf die Finanzlage und damit auf die Gestaltungsspielräume des Unternehmens. Dementsprechend beeinflusst das Geschehen auf dem Platz unmittelbar die Arbeit in der Geschäftsstelle. Nichtsdestotrotz: Wir Schalker sind leidensfähig. So leicht lassen wir uns nicht unterkriegen. Die Arbeitsatmosphäre ist trotz des wiederholten zweistelligen Tabellenplatzes aus Betriebsratssicht nach wie vor gut. Es besteht ein starker Zusammenhalt unter den Kolleg*innen.

Gibt es regelmäßige Umfragen oder Feedbackrunden, um die Meinungen der Mitarbeiter einzuholen?

Der Arbeitgeber führt regelmäßig Befragungen der Mitarbeitenden durch, sei es in Form von Umfragen, 360-Grad-Bewertungen der Führungskräfte oder im Rahmen der Jahresgespräche. Wir als Betriebsrat setzen insbesondere auf 1:1-Gespräche mit den Kolleg*innen, um zu erfahren, wo der Schuh drückt. In der Vergangenheit haben auch wir schon Umfragen unter den Kolleg*innen durchgeführt, um daraus abzuleiten, welche Themen wir als nächstes bearbeiten sollten. Damals war es die Arbeitszeiterfassung sowie das Thema Gehaltsstruktur, zu denen wir mittlerweile jeweils Betriebsvereinbarungen abgeschlossen haben.

Wie wird die Kommunikation zwischen euch und den Mitarbeitenden gestaltet?

Wir nutzen jede Gelegenheit, um mit unseren Kolleg*innen ins Gespräch zu kommen. Sei es bei zufälligen Treffen vor der Kaffeemaschine oder durch gezieltes Aufsuchen an den Arbeitsplätzen. Außerdem führen wir regelmäßig Betriebsversammlungen durch und informieren durch Intranetmeldungen und in einem Newsletter, den wir alle zwei Monate versenden, über unsere Arbeit.

Wie kommuniziert ihr mit der Geschäftsführung?

Mit der Geschäftsführung haben wir monatlich einen festen Gesprächstermin. Wenn es zwischenzeitlich etwas zu besprechen gibt, stehen die Türen zum Betriebsratsbüro aber genauso offen wie die zum Vorstandsbüro. Oder wir greifen gegenseitig zum Telefonhörer. Außerdem sitzen wir nahezu wöchentlich mit der Personalabteilung zusammen, z. B. wenn es um die Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen geht oder wir Personalthemen zu besprechen haben.

Profifußball und Betriebsrat – passt das gut zusammen?

Sehr gut sogar! Woran viele nicht sofort denken, wenn sie am Wochenende die Sportschau einschalten: Ohne die Kolleg*innen hinter den Kulissen würde kein Fußballspiel stattfinden. Sie sind ganz normale Arbeitnehmer*innen, die ein Recht darauf haben, dass ihre Interessen vertreten werden. Und die die gleichen Anliegen, Sorgen oder Nöte haben, wie in anderen Unternehmen auch. Durch uns als Betriebsrat haben sich auf Schalke die Arbeitsbedingungen signifikant verbessert.

Warum gibt es dennoch nur bei einem Bruchteil der 36 Profi-Clubs einen Betriebsrat?

Die Vorbehalte gegenüber Betriebsräten im Profifußball sind leider immer noch weit verbreitet, wie das Beispiel Hertha BSC zeigt. Hier wurde die Betriebsratsgründung durch die Geschäftsführung bekämpft, die Mitarbeitenden wurden massiv eingeschüchtert. Es wird häufig die Mär erzählt, ein Betriebsrat würde sicherlich bei der Auswahl von Spielern oder sogar bei der Mannschaftsaufstellung mitsprechen wollen. Daran hat ein Betriebsrat aber gar kein Interesse. Im Gegenteil: Jeder Betriebsrat ist dem Wohl des Unternehmens verpflichtet und hat ganz andere Baustellen als die Kaderzusammensetzung.

Woher rühren solche Vorbehalte?

In den 1990er Jahren arbeiteten auf der Schalker Geschäftsstelle nicht mal 30 Personen. Der Fußballmanager und der Vereinspräsident hatten das Sagen. Die Professionalisierung der Clubs fand dann rasend schnell in den folgenden zwei bis drei Jahrzehnten statt. Aus 30 Mitarbeitenden wurden 600. Nicht alle Strukturen sind im gleichen Tempo mitgewachsen. So gibt es nach wie vor Nachholbedarf in betrieblicher Mitbestimmung. Das Beispiel Schalke zeigt: Ein Betriebsrat lohnt sich und macht das Unternehmen besser.